Von Paulina Gehring und Sophia Mohrhardt
Diversity bedeutet übersetzt Vielfalt oder Verschiedenartigkeit. In einem Unternehmen bezieht sich das zumeist auf eine heterogene Belegschaft. Beim Diversity Management geht es allerdings, entgegen leider allzu weit verbreiteter Annahmen, um bedeutend mehr, als lediglich Frauen in Führungsteams unterzubringen.
Was sind relevante Faktoren für Diversität?
Die Identität von Individuen kann sich auf Basis ganz unterschiedlicher Faktoren bilden. Diese Faktoren lassen sich in drei sogenannte Vielfaltsdimensionen aufteilen: die organisationale Dimension (z.B. Managementstatus, Arbeitsinhalt, etc.), die äußere Dimension (z.B. Ausbildung, Familienstand) sowie die innere Dimension. Insbesondere die letztgenannte Dimension beinhaltet Faktoren, die im „klassischen“ Diversity Management besondere Beachtung finden. Neben dem Geschlecht sind diese Alter, sexuelle Orientierung, physische Fähigkeiten, ethnische Zugehörigkeit sowie Religion und Weltanschauung einer Person.
Der Schlüssel zum Erfolg: Diversity Management
Diversity ist mehr als nur ein Modewort: Zahlreiche Studien können belegen, dass diverse Teams, also diejenigen, die sich aus ganz unterschiedlichen Menschen zusammensetzen, erfolgreicher sind als homogene Teams. Dies äußert sich beispielsweise durch effizienteres sowie schnelleres Arbeiten und gesteigerten finanziellen Profit. Viele Unternehmen machen sich diese Erkenntnis bereits zu Nutze und fördern die Diversität ihrer Belegschaft durch den Einsatz sogenannter „Diversity Manager“. Ihre Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Menschen in divers aufgestellten Teams bestmöglich in der Entfaltung ihrer individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu unterstützen sowie optimale Arbeitsmöglichkeiten für sie zu schaffen.
Diversität als Chance
Wenngleich homogene Teams in der Regel einfacher zu führen und weniger konfliktträchtig sind, bieten hingegen die unterschiedlichen Perspektiven, Meinungen und Haltungen in einem heterogenen Team viele Chancen. So können durch die unterschiedlichen Hintergründe und Persönlichkeiten ganz neue Denkanstöße und kreative Lösungswege entstehen.
Ebenfalls eine wichtige Rolle für den Erfolg eines Unternehmens spielt das Arbeitsklima. Entscheidend für eine positive Arbeitsatmosphäre ist häufig die quantitative Diversität, d.h. die konkrete Anzahl an Personen im Unternehmen oder im Team, die sich von der durchschnittlichen Belegschaft unterscheidet. In einem überwiegend homogenen Team mit beispielsweise nur einem Diversitätsfaktor kann eine solche Person schnell zum Außenseiter werden.
Zielführender ist es, wenn Heterogenität zur Normalität und somit zu einem integralen Bestandteil der Unternehmenskultur wird. Diese gegenüber unterschiedlichsten Personen offene Haltung kann sich dann wiederum positiv auf das Unternehmensimage auswirken und nicht nur einen potentiell breiteren Pool an BewerberInnen anlocken, sondern auch für zukünftige KundInnen attraktiv sein. Diese gesteigerte Innovationsfähigkeit wirkt sich dann wiederum positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens aus.Wer hingegen an einer homogenen Belegschaft festhält und sich nicht mit dem Thema Diversität auseinandersetzt, läuft nicht nur Gefahr, Potentiale zu verschenken, sondern auch bestimmte Personengruppen zu diskriminieren.
Wo kann ich mit dem Diversity Management beginnen?
Der erste Schritt hin zu mehr Diversität im Unternehmen ist die Begutachtung der aktuellen Recruiting-Prozesse. Ein fairer Recruiting Prozess muss die objektive Bewertung von Menschen anhand ihrer Qualifikationen fokussieren und frei von Diskriminierung persönlicher Eigenschaften sein. Beispielsweise sollten Formulierung von Stellenausschreibungen eine diversitätsgerechte und diskriminierungsfreie Zielgruppenansprache beinhalten. Die Stellenanzeigen sollten primär wesentliche, objektive (fachliche) Anforderungen thematisieren, um somit einen vielfältigen Pool an BewerberInnen anzusprechen. Konkret bedeutet das, die Forderung nach spezifischen Personeneigenschaften zu vermeiden. Das sogenannte Diversity Sourcing geht sogar noch einen Schritt weiter: Hierbei werden gezielt KandidatInnen recherchiert und angesprochen, die spezifische Diversitätskriterien erfüllen.
Notwendigkeit objektiver Verfahren
Nachdem nun mithilfe diskriminierungsfreier und anforderungsfokussierter Stellenausschreibungen eine breite Masse an BewerberInnen angesprochen wurde, gilt es, die passendsten KandidatInnen herauszufiltern. Das ist leichter gesagt als getan, denn Beobachtungsfehler können die Wahrnehmung von Personalerinnen und Personalern mitunter stark beeinflussen. So kann es schnell zu Fehlentscheidungen im Recruiting Prozess kommen, sei es bei der Sichtung der Unterlagen, in ersten Vorstellungsgesprächen oder im Assessment-Center.
Besonders verbreitet ist der „Unconscious Bias“, was so viel bedeutet wie „unbewusste Voreingenommenheit“. Fast alle Menschen haben diese unbewusste Vorurteile und das kann – sofern nicht aktiv kontrolliert – im Personalauswahlprozess zum Problem werden. Ein Beispiel für ein solch unbewusstes Vorurteil ist der Ingroup Bias: Personen, die zu einer ähnlichen sozialen Gruppe gehören wie man selbst, werden häufig positiver wahrgenommen. So würde sich zum Beispiel eine deutsche, weiße, weibliche Person (z.B. die Recruiterin eines Unternehmens) eher einer anderen deutschen, weißen, weiblichen Bewerberin zugehörig fühlen und diese im Umkehrschluss auch besser bewerten. Diversity? Fehlanzeige!
Was kann ich tun, um die Objektivität meiner Auswahlprozesse zu fördern?
Eine in Deutschland bislang noch nicht weit verbreitete Möglichkeit, um unbewusste Verzerrungen aufgrund impliziter Vorurteile zu vermeiden, besteht darin, erst gar keine Informationen über bestimmte Personeneigenschaften einzuholen. Anonymisierte Bewerbungsverfahren können hier Abhilfe schaffen. Hierbei wird auf all diejenigen Informationen in einer Bewerbung verzichtet, die Aufschlüsse über qualifikationsirrelevante Faktoren geben (z.B. Name, Geschlecht, Nationalität und Geburtsort, Geburtsdatum, etc.). Mittels dieses Vorgehens können zwar Bewerbungen zunächst vorurteilsfrei gesichtet werden, allerdings können dann mögliche Vorurteile immer noch im nächsten Auswahlschritt zum Tragen kommen. Deshalb gilt es, sich im weiteren Verlauf intensiver mit dieser Problematik zu beschäftigen.
Essentiell ist es hierbei, sich der eigenen möglichen Voreingenommenheit bewusst zu werden. Denn: Nur das, was uns bewusst ist, können wir auch aktiv beeinflussen. Der Implicit Association Test der Harvard University bietet hierfür eine hilfreiche Ausgangsbasis. Mithilfe dieses Tests lassen sich zu unterschiedlichen Themenbereichen sogenannte implizite Einstellungen überprüfen, also diejenigen, die uns nicht oder nur teilweise bewusst sind. Im Anschluss gilt es dann, den Umgang mit diesen unbewussten Vorurteilen zu erlernen (z.B. durch klare Trennung von Beobachtung und Bewertung oder durch ein aktives „Testen“ gegen die eigenen Hypothesen).
Um allerdings unbewusste Vorannahmen und daraus resultierende Beobachtungsfehler langfristig und nachhaltig zu vermeiden, empfiehlt sich eine von qualifizierten PsychologInnen und EignungsdiagnostikerInnen durchgeführte Beobachterschulung. Typische Inhalte von Beobachterschulungen sind Grundlagen der Diagnostik und theoretisches Wissen über Beobachtungsfehler, aber auch Strategien zum Umgang mit verzerrenden Wahrnehmungseffekten, der Umgang mit den Beobachtungsinstrumenten sowie das Geben von konstruktivem Feedback.